Bei Vorruhestand nach dem Altersteilzeitgesetz vom 23. Juli 1996 und dem Tarifvertrag zur Reglung der Altersteilzeit (TV ATZ) vom 5. Mai 1998 wird schon seit fast 20 Jahren der gesamte Nettolohn faktisch nicht berechnet, sondern in einer Tabelle abgelesen, die letztmals im Jahr 2007 aktualisiert wurde. Dass, wie im TV ATZ vorgesehen, nur der Aufstockungsbetrag berechnet wird und dann dem errechneten Netto für die halbe Arbeitszeit zugeschlagen wird, ist eine Fehlannahme.

Der "Fakt"

Der TV ATZ bestimmt in § 4 Abs.1 die Höhe der Bezüge:
„Der Arbeitnehmer erhält als Bezüge die sich für entsprechende Teilzeitkräfte bei Anwendung der tariflichen Vorschriften (z. B. § 34 BAT/BAT-O) ergebenden Beträge mit der Maßgabe, dass die Bezügebestandteile, die üblicherweise in die Berechnung des Aufschlags zur Urlaubsvergütung / Zuschlags zum Urlaubslohn einfließen, sowie Wechselschicht- und Schichtzulagen entsprechend dem Umfang der tatsächlich geleisteten Tätigkeit berücksichtigt werden.“
Damit ist der Arbeitnehmer wie jeder Andere zu behandeln, der halbtags arbeitet. Ihm steht also der halbe Bruttoverdienst zu und aus diesem ist nach gesetzlichen Vorschriften sein persönliches Netto zu bilden und es auch so wie errechnet, in den auszuzahlenden Nettolohn einfließen zu lassen.

Der TV ATZ bestimmt in § 5 die Höhe der Aufstockungsleistungen. Diese bestehen aus zwei Teilbeträgen. Die Ermittlung des Ersten wird in Abs. 1 festgelegt:

„Die dem Arbeitnehmer nach § 4 zustehenden Bezüge zuzüglich des darauf entfallenden sozialversicherungspflichtigen Teils der vom Arbeitgeber zu tragenden Umlage zur Zusatzversorgungseinrichtung werden um 20 v. H. dieser Bezüge aufgestockt  (Aufstockungsbetrag). ...“
Da dieser in der Regel nie 83 % des Nettoentgelts erreicht, soll dieser Aufstockungsbetrag nach TV ATZ Abs. 2 entsprechend erhöht werden:
„Der Aufstockungsbetrag muss so hoch sein, dass der Arbeitnehmer 83 v. H. des Nettobetrages des bisherigen Entgelts erhält (Mindestnettobetrag). Als bisheriges Arbeitsentgelt ist anzusetzen das gesamte, dem Grunde nach beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer für eine Arbeitsleistung bei bisheriger wöchentlicher Arbeitszeit (§ 3 Abs. 1 Unterabs. 2) zu beanspruchen hätte; der sozialversicherungspflichtige Teil der vom Arbeitgeber zu tragenden Umlage zur Zusatzversorgungseinrichtung bleibt unberücksichtigt. ...“
Vereinfacht gesagt, hat der Vorruheständler nach TV ATZ § 4 und §5 Anspruch auf sein erarbeitetes Nettoentgelt (ist sonst auch ein Verstoß gegen § 611 BGB) und einen Aufstockungsbetrag, der aus der Differenz von 83 % seines fiktiven Vollzeitgehaltes und seinem jetzigen Halbzeitgehaltes besteht.

Dem ist aber nicht so! Die Berechnungsvorschrift für das Gesamtnetto entspricht nicht den in TV ATZ gemachten Vorschriften und ist damit rechtswidrig.
Ausgezahlt bekommt der Arbeitnehmer ein Tabellenentgelt, welches sich nur nach dem fiktiven Bruttogehalt bei Vollbeschäftigung und der Steuerklasse bemisst. Und das war von Anfang an so. Zudem wurde die Tabelle zum letzten Mal vor ca. 8 Jahren aktualisiert und damit beziehen sich die Werte in der Tabelle auf Sozialabgaben und Steuertabellen, die schon lange nicht mehr aktuell sind.
Nach meiner Rechtsauffassung bleibt es Tarifparteien zwar überlassen, frei zu bestimmen, wie dieser Aufstockungsbetrag gebildet wird, aber auf das „erarbeitete Netto“ darf das keinen Einfluss haben.
Da frage ich mich natürlich, warum hat das keiner gemerkt. Am Anfang war der dadurch entstehende Fehler nicht so gravierend, da diese Tabelle regelmäßig den aktuellen Steuersätzen und durchschnittlichen Sozialabgaben angepasst wurde. Individuelle Merkmale werden zwar erfasst, aber im ausgezahlten Nettolohn nicht berücksichtigt. Jetzt, da die Tabelle schon etliche Jahre alt ist, ist die Abweichung zum eigentlich zu zahlenden Nettolohn groß.


Nicht nur, dass der Arbeitnehmer hierdurch weniger Gehalt bekommt, es tritt noch ein Folgeschaden auf. Da dem Finanzamt ein Lohn gemeldet wird, der nicht gezahlt wurde, und ein Aufstockungsbetrag, der keiner ist und dem Progressionsvorbehalt unterliegt, sind in der Regel hohe Einkommensteuernachzahlungen notwendig. Aber der Arbeitnehmer hat ja eigentlich nur einen Pauschalbetrag bekommen, der fiktiv voll versteuert ist. Richtig wäre hier einen Nettolohn von 0,00 € und einen steuerfreien Betrag, der dem Progressionsvorbehalt unterliegt, anzugeben. Damit wäre meist keine Einkommenssteuer zu zahlen.

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